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nägeln vorsprach. Für die Söhne Allahs ein Zeichen von
Sittenlosigkeit, ja sogar ein Verbrechen, für das sie dir in
den besonders fundamentalistischen Ländern die Finger
abhacken. Mit schneidender Stimme befahlen mir zwei
Bartträger, dieses Rot sofort zu entfernen, und hätte ich
sie nicht angeschrien, was ich ihnen gern entfernen bzw.
abschneiden würde, hätten sie mir in meinem eigenen
Land die Finger abgehackt. Ebenso wenig werde ich ver-
gessen, was mir in Qom, der heiligen Stadt Khomeinis,
passierte, wo ich als Frau in allen Hotels abgewiesen wur-
de. In allen! Für das Interview mit Khomeini musste ich
den Tschador tragen, um den Tschador zu tragen, musste
ich die Bluejeans ausziehen, um die Bluejeans auszuzie-
hen, brauchte ich ein Zimmer. Natürlich hätte ich mich
im Auto umziehen können, mit dem ich aus Teheran ge-
kommen war. Doch mein Dolmetscher hinderte mich
daran. Das-ist-Wahnsinn, Signora, das-ist-Wahnsinn.
Für-soetwas-wird-man-hier-in-Qom-erschossen! So er-
reichten wir nach vielen Abweisungen schließlich den
ehemaligen Königspalast, wo ein mitleidiger Wächter uns
einließ und uns den früheren Thronsaal zur Verfügung
stellte. Einen großen Raum, in dem ich mir vorkam wie
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die Jungfrau Maria, die sich zusammen mit Josef in den
von Ochs und Esel erwärmten Stall flüchtet, um das Je-
suskind zu gebären. Und weißt du, was dann passierte?
Da der Koran es einem Mann und einer Frau, die nicht
miteinander verheiratet sind, verbietet, sich zusammen
hinter einer geschlossenen Türe aufzuhalten, ging plötz-
lich die Türe auf. Sobald er über unser Kommen infor-
miert worden war, stürzte der für die Kontrolle der Moral
zuständige Mullah (ein sehr strenger) Schande-Schande-
Sünde-Sünde rufend herein, und es gab nur einen Weg,
nicht erschossen zu werden: die Heirat. Einen befristeten
Ehevertrag (für vier Monate) zu unterzeichnen, mit dem
der Mullah vor unserem Gesicht wedelte. Heiraten. Das
Problem war nur, dass der Dolmetscher schon eine spa-
nische Ehefrau hatte. Eine gewisse äußerst eifersüchtige
Consuelo, die nicht bereit war, die Regeln der Polyga-
mie zu akzeptieren. Und ich wollte sowieso niemanden
heiraten. Schon gar keinen Iraner mit einer eifersüch-
tigen spanischen Frau, die nicht bereit war, die Regeln
der Polygamie zu akzeptieren. Gleichzeitig wollte ich auch
nicht erschossen werden bzw. das Interview mit Khome-
ini verpassen. Mit diesem Dilemma schlug ich mich ver-
zweifelt herum, und &
Du lachst, da bin ich sicher. Als ob ich dir einen Witz
erzählte, da bin ich sicher. Zur Strafe erzähle ich dir nicht,
wie die Geschichte ausging. Ich lasse dich sitzen mit der
neugierigen Frage, ob ich den bereits verheirateten Dol-
metscher geheiratet habe oder nicht, und um dich zum
Weinen zu bringen, erzähle ich dir die Geschichte von
den zwölf unreinen Jünglingen (was sie Unreines getan
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hatten, habe ich nie erfahren), die nach dem Krieg in
Bangladesh in Dhaka hingerichtet wurden. Im Sportsta-
dion von Dhaka wurden sie mit Bajonettstichen in Brust-
korb und Bauch hingerichtet, in Gegenwart von zwan-
zigtausend Gläubigen, die auf den Tribünen im Namen
Allahs applaudierten. »Allah Akbar, Gott ist groß, Al-
lah Akbar.« Ich weiß, ich weiß: Im Kolosseum amüsier-
ten sich die alten Römer, jene alten Römer, auf die meine
Kultur so stolz ist, damit, die Christen den Löwen zum
Fraß vorzuwerfen. Ich weiß, ich weiß: In allen Ländern
Europas amüsierten sich die Christen, die Christen, deren
Beitrag zur Geistesgeschichte ich nur zähneknirschend
anerkenne, damit, die Häretiker auf dem Scheiterhaufen
brennen zu sehen. Doch sind seitdem mehrere Jahrhun-
derte vergangen. Inzwischen sind wir etwas zivilisierter
geworden, und auch die Söhne Allahs müssten begriffen
haben, dass man bestimmte Dinge nicht tut. Sie tun sie
aber. Nach den zwölf unreinen Jünglingen töteten sie auch
einen zwölfjährigen Jungen, der sich auf einen Körper ge-
stürzt hatte und schluchzte mein-Bruder, mein-Bruder.
Ihm zerquetschten sie den Kopf mit ihren Militärstiefeln.
Und wenn du es nicht glaubst, lies in meiner Reportage
nach oder in den Berichten der französischen, deutschen
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